Die Neutralität hilft der Schweiz und der Welt


    Kolumne – Gut gesagt


    Seit dem Ukrainekrieg ist die Schweizer Neutralität unter Dauerbeschuss. Zu Unrecht: Sie trägt zu Stabilität und Frieden bei – hier und in der Welt.

    (Bild: Nathan Beck)

    Die immerwährende und bewaffnete Neutralität gehört zu den tragenden Staatssäulen der Schweiz. In Umfragen erzielt sie regelmässig rekordhohe Zustimmungswerte. Doch seit dem russischen Überfall auf die Ukraine scheint plötzlich alles anders zu sein: International nimmt der Druck auf die Schweiz stark zu, die Neutralität aufzuweichen. Und auch führende Schweizer Politiker werfen im Sog dieser zeitgeistigen Stimmung das bewährte Konzept über Bord. Sie wollen Waffen und Munition in das Kriegsgebiet liefern und fordern eine weitere Annäherung der Schweiz an die Nato. Jüngstes Beispiel: die Panzerlieferung via Deutschland ins ukrainische Kriegsgebiet.

    Von zwei Weltkriegen verschont
    So verständlich der moralische Impuls ist, dem Opfer eines Angriffskriegs zu helfen: Es ist kopflos und unverantwortlich, die Neutralität aufzugeben. Sie ist in Jahrhunderten gewachsen und hat sich vielfältig bewährt. Die glaubwürdige Neutralitätspolitik der Schweiz hat massgeblich dazu beigetragen, dass wir von zwei Weltkriegen verschont geblieben sind – und damit von Tod, Leid und Verwüstung. Das dürfen wir nie vergessen! Die modischen Totengräber der Neutralität handeln geschichtsblind.

    Glaubwürdig ist nur die bewaffnete Neutralität
    Glaubwürdig ist die Neutralität aber nur, wenn sie bewaffnet ist – das heisst, wenn wir unser Territorium auch verteidigen können. Nur so sind wir kein sicherheitspolitisches Vakuum und ein zuverlässiges Mitglied der Staatengemeinschaft.

    Die schweizerische Neutralität hilft aber nicht nur uns selbst, sie trägt auch zu Stabilität und Frieden in der Welt bei. Dank unserer Rolle als neutralem Kleinstaat, der bewusst auf Machtpolitik und Aggression verzichtet, sind wir ein glaubwürdiger Vermittler in internationalen Krisen und Konflikten. Die sogenannten Guten Dienste sind weltweit geachtet und gefragt.

    Man kann nicht halb neutral sein
    Allerdings setzen wir unser diplomatisches Pfand aufs Spiel, wenn wir Zweifel an unserer neutralen Haltung aufkommen lassen. Dabei vergessen die Kritiker der Schweizer Neutralität, dass uns das Neutralitätsrecht zu neutralem Handeln verpflichtet. Die Neutralität basiert nicht auf Beliebigkeit, sie muss konsequent gehandhabt werden. Der Autor und ehemalige Diplomat Paul Widmer hat es treffend gesagt: Man kann nicht halb neutral sein – wie man auch nicht halb schwanger sein kann. Entweder man ist es, oder man ist es nicht.

    Die Verächter der Neutralität vergessen auch, dass politische und juristische Neutralität nicht gleichbedeutend sind mit Gesinnungsneutralität. Das zeigt das Beispiel von Winston Churchill eindrücklich: Als der ehemalige britische Kriegspremier nach dem Zweiten Weltkrieg im Herbst 1946 die Schweiz besuchte, jubelten ihm die Schweizerinnen und Schweizer zu wie keinem ausländischen Staatschef vor und nach ihm (darüber habe ich das Buch «Champagner mit Churchill» geschrieben). Trotz der Tatsache, dass die Sympathien klar verteilt waren, hielt die Schweiz in diesen schwierigen Zeiten an ihrer Neutralität fest. Entgegen der heutigen Situation standen die bürgerlichen Parteien und die Sozialdemokraten geschlossen hinter der Neutralität.

    Die Neutralität hat Zukunft
    Natürlich war unsere neutrale Position auch damals interner und externer Kritik ausgesetzt. Lernen können wir daraus, dass wir dies aushalten können müssen! Wir brauchen Politiker mit Rückgrat, die in aller Sachlichkeit auf unsere völkerrechtlichen Verpflichtungen hinweisen und den Wert der Neutralität für die Schweiz und die Welt souverän erklären. Die Neutralität hat unverzichtbare Vorteile für unser Land, aber auch für die Staatengemeinschaft. Was wir hingegen nicht brauchen, sind politische Windfahnen, die heute das Gegenteil von gestern erzählen und den Frieden und die Stabilität der Schweiz aufs Spiel setzen. Denn die Neutralität hat Zukunft! Niemand kann sie zerstören – ausser wir selbst.


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    Zur Person:
    Dr. Philipp Gut ist Journalist, Buchautor, Verleger der «Umwelt Zeitung» und Inhaber der Kommunikationsagentur Gut Communications GmbH (www.gut-communications.ch). Er kandidiert für die SVP Aargau für den Nationalrat.

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